Weiterbildung – zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Weiterbildung ist der Schlüssel zur beruflichen Entwicklung. Doch oft haben Mitarbeiter und Personalverantwortliche einen unterschiedlichen Blick auf das Thema. Foto: Adobestock
Wer beruflich am Ball bleiben will, muss bereit sein, stetig dazuzulernen. Unternehmen und Mitarbeiter schauen erstaunlich unterschiedlich auf das Thema.
Nicht den Anschluss verlieren – das ist in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen nicht oft nicht leicht, aber gerade in schwierigen Phasen besonders wichtig. Weiterbildung ist der Schlüssel, um beruflich am Ball zu bleiben und den nächsten Karriereschritt in Angriff zu nehmen. Viele Unternehmen haben das erkannt und in entsprechende Angebote investiert. Der aktuelle HR-Monitor der internationalen Unternehmensberatung McKinsey zeigt indes, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit oft eine große Lücke klafft. So schätzen Personalverantwortliche die Attraktivität der firmeneigenen Weiterbildungsangebote weitaus höher ein als es viele Mitarbeiter tun.
McKinsey hat für die Studie 500 HR-Profis und 1.000 Mitarbeitenden aus Unternehmen mit durchschnittlich 9.000 Beschäftigten befragt. Ein Ergebnis: Während ein Viertel der Personalverantwortlichen Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote als ganz besonders wichtig für die Mitarbeiterbindung wertet, tun dies nur etwa 15 Prozent der befragten Beschäftigten.
Andere Prioritäten im Alltag
Und: rund 44 Prozent der Mitarbeiter gaben an, im vergangenen Jahr gar keinen Weiterbildungstag absolviert zu haben. Derweil berichteten 40 Prozent der Verantwortlichen, dass jeder Beschäftigte zwischen einem und fünf Tagen pro Jahr an einer Schulungs- oder Entwicklungsmaßnahme teilgenommen habe. Wie kommt es zu diesen Diskrepanzen? Reden sich HR-Profis das Thema schön? Werten Mitarbeiter einen schnellen Online-Kurs am Ende gar nicht als „richtige Weiterbildung“? Ein Blick in die Arbeitsrealität zeigt: Es stimmt ein bisschen von allem. In betriebsinternen Auswertungen werden in der Regel Durchschnittswerte bestimmt. Nimmt ein Mitarbeiter an einem mehrwöchigen Trainingsprogramm teil, fallen rein rechnerisch zehn Kollegen, die keinen einzigen Weiterbildungstag hatten, weniger stark ins Gewicht.
Dazu kommt: Auch, wenn Bildung und Aufstieg eng miteinander verknüpft sind und entsprechende Möglichkeiten zu den wichtigsten Faktoren bei der Anwerbung von Fachkräften gelten, setzen viele Beschäftigte im Alltag andere Prioritäten. Nicht immer freiwillig. Oft, so legt auch ein Blick in die Auswertung der McKinsey-Befragung nahe, werden Schulungen verschoben oder abgesagt, weil das tägliche Arbeitspensum sonst nicht schaffbar scheint. Hier kommen wieder die Unternehmen ins Spiel. Sie müssen dafür sorgen, dass der Mitarbeiter auch den Freiraum für die gewünschte Weiterbildung hat – was nicht bedeutet, dass er die liegengebliebene Arbeit dann zusätzlich erledigen muss.
Gute Planung muss Freiräume schaffen
Weiterbildung müsse entsprechend geplant sein, raten Arbeitsmarktexperten gerade mit Blick auf die rasanten Veränderungen in vielen Branchen und Berufen. Bereits 2023 hatte eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass gerade einmal knapp 43 Prozent der deutschen Unternehmen eine „langfristige Planung der Qualifizierung, die strategisch darauf abzielt, die Beschäftigten auch fit zu machen für zukünftige Anforderungen“ vorantreiben. Hier ist noch deutlich Luft nach oben.
Doch nicht nur die Unternehmen sind aufgefordert, sich noch intensiver mit dem Thema zu befassen. Laut McKinsey sind 80 Prozent der Beschäftigten davon überzeugt, dass sie über die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um ihren Beruf auch in den nächsten fünf Jahren noch erfolgreich ausüben zu können. Aus Sicht der HR-Verantwortlichen weist indes bereits heute etwa ein Drittel der Mitarbeiter eine mehr oder weniger große Kompetenzlücke auf. Mit Blick auf die Möglichkeiten der KI dürfte diese Lücke rasch größer werden, sofern nicht aktiv gegengesteuert wird. Und hier sitzen einmal mehr Mitarbeiter und Personaler im selben Boot – beide müssen rudern, wenn der Kahn nicht kentern soll.