Mehr Gehalt trotz Krise?
„Nur nicht über Geld reden!“ Diese Prämisse gilt in Deutschland nach wie vor. Dabei kann Transparenz auch beim Thema Verdienst durchaus Vorteile bringen, zum Beispiel bei der nächsten Gehaltsverhandlung.
Neue Projekte, mehr Verantwortung, dauerhafte Vertretungen – es gibt viele Gründe für mehr Gehalt. Der Fachkräftemangel stärkt die Position der Beschäftigten. Zu forsch sollte dennoch niemand auftreten.
„Über Geld redet man nicht!“ Diesen Merksatz lernt der Berufseinsteiger in Deutschland schnell. Die Frage nach dem Verdienst des Gegenübers gilt hierzulande vielfach als nahezu intim und daher unpassend. Darüber hinaus gibt es sogar Klauseln in Arbeitsverträgen, die es untersagen, im Kollegenkreis über das eigene Salär zu sprechen. Das kann man – nicht ganz zu Unrecht – für verkrampft und unmodern halten, es macht aber eine Sache noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist: Die Gehaltsverhandlung.
Gerade, wenn das Arbeitsjahr langsam dem Ende entgegengeht, wird gern Zwischenbilanz gezogen. Wie läuft es mit den Projekten? Und mit Kollegen und Vorgesetzten? Passt das aktuelle Gehalt noch zu Arbeitsaufkommen und Verantwortungsbereich? Und sollten sich die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht auch stärker im Lohn widerspiegeln? Fragen, die legitim sind, aber dennoch Probleme mit sich bringen können. Denn gerade in Krisenzeiten, in denen auch viele Unternehmen unter gestiegenen Kosten ächzen, stellt sich die Frage nach mehr Geld nicht so leicht. Vertagen sollte man den Wunsch danach aber trotzdem nicht, denn die daraus resultierende Unzufriedenheit sorgt oft für langfristigen Frust am Arbeitsplatz.
Grundsätzlich ist eine Neuverhandlung etwa alle 18 bis 24 Monate üblich. In manchen Unternehmen gibt es jährliche Gehaltsrunden. Experten raten, vor dem entscheidenden Gespräch mit Chef oder Chefin einen kritischen Blick auf den Markt zu werfen. Wie dringend wird die eigene Profession, vielleicht sogar die eigene Spezialisierung, gerade gesucht? Würde man schnell einen anderen, besser bezahlten Job finden? Wer diese Fragen für sich positiv beantworten kann, nimmt schon einmal viel Druck aus der Gehaltsverhandlung. Damit die eigenen Vorstellungen trotzdem nicht überzogen wirken, lohnt außerdem ein Vergleich mit vergleichbaren Entlohnungen in der jeweiligen Branche und auch in der Region. Es ist kein Geheimnis, dass in ostdeutschen Unternehmen vielfach weniger Gehalt gezahlt wird als in vergleichbaren westdeutschen Betrieben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienten Westdeutsche im vergangenen Jahr im produzierenden Gewerbe- und im Dienstleistungsbereich pro Jahr knapp 56.000 Euro. Ostdeutsche dagegen nur rund 44.000 Euro. Zwar holen viele Betriebe, auch in Sachsen, hier auf und bieten inzwischen deutlich attraktivere Konditionen. Die Ungleichheit an sich besteht aber nach wie vor. Auch das gilt es bei Gehaltsgesprächen im Blick zu haben.
Den Zeitpunkt gut wählen
Hat man die Lage realistisch sondiert, geht es an die individuellen Leistungen. Hier gilt es, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und erfolgreiche Projekte, die man maßgeblich begleitet hat, hervorzuheben. Auch wer – etwa durch einen Krankheitsfall im Team – plötzlich sehr viel mehr Verantwortung übernommen hat als ursprünglich vorgesehen, vielleicht sogar den Abteilungsleiter würdig vertreten hat, kann mit diesen Pfunden wuchern. Gleichzeitig ist es im Gehaltsgespräch wichtig, nicht nur die Vergangenheit im Blick zu haben, sondern auch deutlich zu machen, dass man natürlich auch künftig mit viel Motivation und Engagement an die Arbeit gehen möchte – was aber eben ganz klar auch eine Frage der fairen Entlohnung ist.
Der allgegenwärtige Fachkräftemangel spielt Mitarbeitern heute in die Hände. Viele Firmen können es sich kaum leisten, weitere Stellen unbesetzt zu lassen, weil unzufriedene Kollegen gekündigt haben. Gleichzeitig sollten Beschäftigte aber auch nicht zu fordernd und forsch auftreten. Auch Chef oder Chefin wollen bei der Verhandlung ein gutes Gefühl haben. Daher ist bereits die Wahl des Termins wichtig. Beide Seiten sollten genügend Zeit und nicht unbedingt direkt den nächsten Termin im Nacken haben.
Auch wenn das Thema nicht das angenehmste ist – wir erinnern uns: in Deutschland spricht man nicht über Geld – helfen Selbstvertrauen und Höflichkeit oft dabei, das Eis zu brechen. Wer nicht nur seine Erfolge aufzählen kann, sondern auch in Sachen Gehalt konkrete Zahlen auf den Tisch legt, hat oft gute Karten. Im Allgemeinen sind 5 bis 10 Prozent mehr eine realistische Zielsetzung, mit denen auch die Vorgesetzten leben können.
Trotzdem kann es natürlich sein, dass der Wunsch erst einmal abgelehnt wird, zum Beispiel mit Verweis auf die allgemeinen Krisenlagen. In diesem Fall raten Experten dazu, Alternativen vorzuschlagen, die – da steuer- und sozialabgabenfrei – auch für den Arbeitgeber interessant sein können. Dazu gehören beispielsweise Fahrtkostenzuschüsse, Weiterbildungen oder auch Zuschüsse zu Kinderbetreuungs- oder Mietkosten. Auch sie sorgen am Ende für mehr Geld auf dem Konto.
Von Annett Kschieschan