Jeder Zweite kann sich freuen
Weihnachtsgeld oder kein Weihnachtsgeld? Unternehmen handhaben das unterschiedlich. Wer in einem tarifgebundenen Betrieb arbeitet, hat die besten Chancen auf den Bonus zum Jahresende. Foto: Adobestock
Jeder Zweite kann sich freuen
Und zwar über das Weihnachtsgeld. 52 Prozent aller Deutschen bekommen die Sonderzahlungen, vor allem jene, die auch sonst ein gutes Gehalt haben. Eine Ungerechtigkeit, die in der Krise noch sichtbarer wird.
„Ungerecht ist das schon“, sagt Maike Müller und schmunzelt trotzdem ein wenig. Natürlich gönnt sie ihrem Mann Stefan das Weihnachtsgeld, das jedes Jahr pünktlich vor dem Fest auf seinem Konto landet. Sie selbst bekommt keine Bonuszahlung am Jahresende. „Das gibt es bei meinem Arbeitgeber nicht“, sagt die Verkäuferin. Ihr Mann, Buchhalter in einem tarifgebundenen Unternehmen, kennt es indes gar nicht anders: Ende November gibt es Weihnachtsgeld. Das Dilemma der Müllers ist eher die Regel als die Ausnahme. Nach den Statistiken des Informationsdienstes Wissenschaft (IWD) bekommen rund 52 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer einen Weihnachtsbonus. Vor allem jene, die wie Stefan Müller in Betrieben arbeiten, die tarifgebunden sind.
Das zeigt auch eine aktuelle Analyse des Tarifarchivs des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts´(WSI). Zwar könne das Weihnachtsgeld demnach durchaus mehrere tausend Euro betragen, aber eben nur für einen Teil der Mitarbeiter. Datengrundlage beim WSI ist eine Online-Befragung über Lohnspiegel.de, für die mehr als 62.000 Menschen ausgewählt wurden.
Den größten Unterschied, das wurde auch hier schnell klar, macht die Tarifbindung: Von den Beschäftigten mit Tarif bekommen demnach immerhin 77 Prozent Weihnachtsgeld – das sind fast doppelt so viele wie in Betrieben ohne Tarifvertrag. „Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifvertrag sind doppelt im Vorteil,“ so der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Das ist einfach erklärt. Zum einen erhielten sie in der Regel ein höheres Grundgehalt, was ihnen einen entsprechend höheren Lebensstandard ermöglicht. Zum anderen kommen deutlich häufiger auch noch Zusatzleistungen wie das Weihnachtsgeld aufs Konto. „Auch, wenn sich die Inflationsraten wieder normalisiert haben, ist das Preisniveau höher als vor dem Teuerungsschub. Eine Bezahlung nach Tarif, die unter anderem Weihnachtsgeld garantiert, ist da besonders wichtig“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.
Unterschiede in Ost und West
Hier verweist man darauf, dass es in den meisten großen Tarifbranchen gültige tarifvertragliche Bestimmungen zum Weihnachtsgeld oder einer ähnlichen Sonderzahlung gibt, die zum Jahresende fällig wird. Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie von 250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 4.039 Euro in der Chemieindustrie. Am stärksten stieg das Weihnachtsgeld 2024 gegenüber dem Vorjahr mit 14,1 Prozent im brandenburgischen Einzelhandel, um 13,8 Prozent bei der Deutschen Bahn AG und um 12,1 Prozent im öffentlichen Dienst der Gemeinden. Egal, wie man es dreht und wendet: Es bleibt ungerecht. So bestehen in vielen Branchen nach wie vor große Differenzen zwischen den ost- und westdeutschen Tarifgebieten. Ein annähernd gleich hohes Weihnachtsgeld werde etwa im Bank- und Versicherungsgewerbe, in der Eisen- und Stahlindustrie oder bei der Deutschen Bahn gezahlt. In anderen Branchen könnten die Unterschiede mehrere hundert Euro ausmachen, heißt es aus dem WSI.
Manche Unternehmen finden andere Lösungen, um Mitarbeitern zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen, etwa über gelegentliche Boni für besondere Leistungen. Das kann das Weihnachtsgeld aber in der Regel nur teilweise ausgleichen. Zumal hier meist nur bestimmte Mitarbeiter profitieren, während das Weihnachtsgeld jedem Beschäftigten eines tarifgebundenen Unternehmens zusteht – unabhängig von besonderer Arbeitsleistung.
Im Hause Müller ist das Weihnachtsgeld kein großes Thema. „Wir nutzen des Bonus, den ich bekomme, ohnehin für die Familie. Da geht es nicht immer um große Weihnachtsgeschenke, sondern zum Beispiel auch um einen Wochenendurlaub oder eine kurze Städtereise“, erzählt Stefan Müller. Er selbst arbeitet schon seit dem Ende seiner Ausbildung in der derselben Firma.
Dass andere Arbeitgeber weitaus weniger zahlen – nicht nur, wenn es um Extras wie das Weihnachtsgeld geht – habe er erst so richtig verstanden, seit er mit seiner Frau zusammen ist. „Damals hat mich das richtig geärgert“, sagt er und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: „Und eigentlich sollte es das immer noch. Gerecht ist das wirklich nicht.“ Genau das beschreibt die Debatte um das Weihnachtsgeld gut. Alle Jahre wieder.