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Am Ende entscheiden Nuancen

Gute Noten für die geleistete Arbeit? Ein Arbeitszeugnis kann für den weiteren beruflichen Werdegang wichtig sein. Foto: Adobestock

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Doch darin können sich viele Fallstricke verbergen. Warum der genaue Blick lohnt und Mitarbeiter sich ihr Zeugnis auch selbst schreiben können.

Immer mehr unbezahlte Überstunden, schon lange keine Gehaltserhöhung mehr, dazu die schlechte Stimmung im Team – Ulrike Gansmann hatte die Nase voll und kündigte. Einen neuen Job hatte die erfahrene Sekretärin schnell gefunden. Ende gut – alles gut? Nicht ganz, denn ihr Vorgesetzter nahm die Entscheidung seiner langjährigen Mitarbeiterin alles andere als gut auf. „Er schien eher persönlich beleidigt zu sein und hat sich entsprechend verhalten. Ich habe die letzten Arbeitstage im alten Job gezählt“, so Ulrike Gansmann. Damit nicht genug, ihr Arbeitszeugnis musste sie mehrfach anmahnen. „Und als es dann kam, war es alles andere als gut, obwohl es nie Kritik an meiner Arbeit gegeben hatte – ganz im Gegenteil“.

Ulrike Gansmann tat das einzig Richtige – sie legte Widerspruch gegen das bestenfalls mittelmäßige Zeugnis ein. Dazu raten auch Experten, denn für Arbeitgeber besteht beim Thema Arbeitszeugnis eine sogenannte Wohlwollenspflicht. Das heißt nicht, dass eine Bewertung der Arbeit des ehemaligen Mitarbeiters ausschließlich Lob enthalten muss, sie darf aber eben auch nicht als eine Art späte Abstrafung formuliert sein und damit der weiteren beruflichen Laufbahn des Betroffenen entgegenstehen.

Einfach oder qualifiziert?

Dabei ist oft gar nicht so einfach zu erkennen, ob es der ehemalige Chef oder die ehemalige Chefin mit dem Arbeitszeugnis tatsächlich gut gemeint hat. Hier lohnt immer ein Blick ins Detail, also auf die ganz konkreten Formulierungen. Schon eine Nuance kann dabei für eine schlechtere „Note“ stehen. So klingt die Beurteilung „XY erfüllte seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit“ doch ziemlich positiv. Tatsächlich entspricht sie im Arbeitszeugnis-Jargon aber nur der Note „Befriedigend“. Für ein „Sehr gut“ müsste es heißen: „XY erfüllte seine Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit.“

Fehlen die entsprechenden Bewertungen der Arbeit ganz, handelt es um kein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Darauf hat aber jeder Arbeitnehmer in Deutschland einen Rechtsanspruch. Geregelt wird das durch die Gewerbeordnung. Möglich ist demnach aber auch die Ausstellung eines einfachen Arbeitszeugnisses. Es enthält dann lediglich Fakten zur Art der verrichteten Arbeit und zur Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Geht es um Einschätzungen und Bewertungen, ist mehr Aufwand erforderlich. Mancher Arbeitgeber scheut diesen zunächst – bisweilen schlicht aus Zeitgründen. Der VFR Verlag für Rechtsjournalismus empfiehlt Arbeitnehmern auf seiner Plattform rund um den Arbeitsvertrag daher, durchaus ihr eigenes qualifiziertes Arbeitszeugnis zu verfassen und es dann der ehemaligen Führungsetage beziehungsweise der Personalabteilung vorzulegen. Aber auch hier gilt: Die Bewertung muss bei allem Wohlwollen auch der Realität entsprechen. Neben den Fakten, die auch das einfache Zeugnis enthält, stehen hier auch im Job erworbene Kompetenzen und etwa der Umgang mit Kollegen, Kunden oder Auszubildenden.

Was vielen Angestellten nicht bekannt ist – sie können sich auch ohne konkrete Wechselabsicht ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen, etwa, wenn eine Beförderung angestrebt wird, eine Versetzung ansteht oder auch beim Wechsel in die Elternzeit. Ein Rechtsanspruch besteht in diesem Fall aber nicht. Wer ein Zwischenzeugnis haben möchte, sollte demnach das Gespräch zu seinem Vorgesetzten suchen.

Arbeitsgericht nur als letzte Option

Generell raten auch Rechtsexperten dazu, beim Thema Arbeitszeugnis auf Kommunikation zu setzen, bevor das Arbeitsgericht eingeschaltet wird. „In der Regel ist eine außergerichtliche Einigung mit sehr viel weniger Aufwand und nervlicher Belastung verbunden, als ein sich womöglich lange Zeit hinziehender Prozess. Hierfür müssen schließlich Beweise gesichert und Argumentationsstrategien entwickelt werden“, heißt es beim VFR Verlag.

Auch Ulrike Gansmanns Chef wollte es soweit nicht kommen lassen und hat ihr ein neues Zeugnis ausgestellt. „Das passte dann zu dem, was ich in der Firma geleistet hatte“, so die Sekretärin.