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Wie wird Arbeit sinnstiftend?

Vor allem in der Pflege sehen viele Beschäftigte ihren Beruf als Berufung – und leiden daher besonders unter schlechten Arbeitsbedingungen. Fotos: Adobestock

Menschen helfen, Dinge selbst gestalten können, ein Team führen – die Ansprüche ans Berufsleben variieren nach persönlichen Präferenzen, aber auch nach Alter und Branche. Für Unternehmen ist das wichtig.

Sinnstiftend soll sie sein, auf die eigenen Stärken aufbauen, etwas Bleibendes schaffen – und natürlich ordentlich bezahlt sein. Ob die Ansprüche an Arbeit hoch oder doch eher selbstverständlich sind, ist eine Frage der Perspektive. Fakt ist aber, dass die Arbeit großen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben hat. Und zwar nicht nur für die Jungen. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) hat in einer Studie herausgefunden, dass auch ältere Arbeitnehmer einen großen Teil ihrer allgemeinen Motivation aus ihrer Arbeit ziehen. „Für die Altersgruppe der 55- bis 74-Jährigen nimmt Arbeit den größten Stellenwert ein – nur in dieser Gruppe bewerten mehr als 20 Prozent ihren Job als ‚sehr wichtig‘, heißt es in der Analyse der Untersuchung, für die das Marktforschungsinstitut Bilendi im Sommer 3.000 Fachkräfte mit Berufsausbildung branchenübergreifend befragt hatte.

Motor für die Berufswahl

Das mag auf den ersten Blick überraschend, unterstellt man den Älteren doch schnell, den Fokus spätestens ab dem 60. Lebensjahr eher auf den privaten Bereich zu legen. Das liegt aber offenbar eher daran, dass einige Unternehmen ältere Arbeitnehmer aus dem Blick verlieren, wenn es um Förderung, Weiterbildung und den nächsten Karriereschritt geht. Der ist durchaus auch für Männer und Frauen jenseits der 60 noch eine Option. „Vor allem die älteren Berufstätigen verbinden ihre Tätigkeit vermutlich stärker mit Leidenschaft, Hingabe und einem tieferen Sinn beziehungsweise der Erfüllung eines Lebenszwecks“, so eine Einschätzung der Forscher. Wahrscheinlich würden bei zunehmender Berufserfahrung mehr Verantwortung und damit das Gefühl, gebraucht zu werden, an Bedeutung gewinnen.

Berufseinsteiger sind dagegen vielfach weniger idealistisch als angenommen. Geprägt von den Krisen der vergangenen Jahre und einer zunehmend volatilen Welt- und Wirtschaftslage sehen junge Erwachsene einen Job zunächst ganz pragmatisch als Basis der Existenzsicherung. Während in der Kofa-Studie jeder Zweite der über 60-Jährigen der Aussage „Mein Job ist meine Berufung“ zustimmte, war es bei den Mittzwanzigern nur ein Drittel der Befragten. Und auch bei den Branchen gibt es zum Teil große Unterschiede. In fast allen liegt der Anteil der Fachkräfte, die ihren Beruf als Berufung verstehen, bei etwas über 30 Prozent. Leicht höher ist er bei Handwerkern. Am stärksten ausgeprägt ist diese Haltung aber in der Pflege beziehungsweise sozialen Berufen.

Karriere als großes Ziel

Das Ziel, anderen Menschen zu helfen, ist nach wie vor ein großer Motor, wenn es um die Berufswahl in diesem Bereich geht. Umso stärker fallen allerdings auch Frust und Enttäuschung aus, wenn Beschäftigte ihrem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht werden können. Vor allem in der Pflege ist das zunehmend der Fall. Eine Folge davon ist der Pflexit, der Ausstieg vieler Pflegekräfte aus ihrem Beruf. Nicht von ungefähr sind in der Pflege besonders viele Stellen unbesetzt. Ein Dilemma, vor dessen gesellschaftlichen Folgen bereits jetzt gewarnt wird. Die Kofa-Studie rät an dieser Stelle zu dem, was Unternehmen im Jahr 2024 eigentlich wissen müssten: Gute Bezahlung, Wertschätzung und Entlastung halten gute Leute im Job. Das Gegenteil davon verschärft den Fachkräftemangel in der Perspektive weiter.

Karriere im klassischen Sinne erwarten viele Beschäftigte in Deutschland aber nicht unbedingt, wenn es um die Planung eines guten Berufslebens geht. Gerade einmal acht Prozent der Befragten bezeichneten den beruflichen Aufstieg als „wichtiges Lebensziel, noch reichlich 30 Prozent finden ihn durchaus erstrebenswert. Nach Ansicht der Forscher zeigt das „dass der Karrierebegriff vor allem mit einem Gehaltssprung und der klassischen Führungsrolle verknüpft wird“. Karriere werde aber gleichzeitig auch mit mehr Stress und Leistungsdruck assoziiert. Dieser Aspekt überwiegt in der Wahrnehmung oft gegenüber den Möglichkeiten zu Mitbestimmung und Gestaltung, die ebenfalls mit einer Führungsposition verbunden sind. Auch hier gibt es wieder deutliche Unterschiede beim Blick auf das Alter der Befragten. Während den Älteren ihre Arbeit an sich sehr wichtig ist, legen viele von ihnen keinen Wert auf einen Führungsjob. Die Jüngeren hingegen wollen ganz gern aufsteigen. Nicht immer freilich dürfte das mit der Präferenz, den Beruf zuerst als Weg zum Geldverdienen zu betrachten, zusammenpassen.

Unternehmern zeigen die Studienergebnisse einmal mehr, wie wichtig es ist, Beschäftigten individuell passende Wege zu eröffnen. Karriere, Weiterbildung, Wertschätzung, Gestaltungswille, Zufriedenheit – nicht jeder legt auf alles davon gleich viel Wert. Ohne kommt aber in Zeiten des Fachkräftemangels kein Jobangebot aus.